Buch Neuerscheinung
im Umfeld e-Learning, Corporate Learning, Didaktik, (Personal) Learning Environments, Blended Learning Konzepte
Kognition und Technologie im kooperativen Lernen:
Vom Wissenstransfer zur Knowledge Creation
Hanna Risku/Markus F. Peschl (Hg.)
Vienna University Press / Universität Wien V& R unipress
Das Buch zeigt Möglichkeiten auf, wie Lernen und Wissenstransfer in Unternehmen funktionieren können. Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen veranschaulichen, dass die typische „akademische“ Antwort, nämlich „das kommt darauf an“, zentrale Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung von Lern- und Wissenstransferumgebungen hat. Systematik, beginnend bei der Analyse des Lern-, Informations-, und/oder Wissensbedarfs, und davon ausgehend erst die Ableitung von Maßnahmen in genauer Passung mit den strategischen Unternehmenszielen und den Wissens- und Lernzielen.
Die Toolwahl, sprich also die eigentliche Technik, ist zwar bedeutend, nimmt aber eine bescheidene Rolle ein in Relation zur Systematik der Vorgehensweise und zur Planung geeigneter Begleitmaßnahmen, z.B. zur geeigneten Einbindung der Mitarbeiter in den gesamten Entstehungsprozess. Und weil Ziele, Anforderungen, Atmosphäre, Inhalte in jeder Organisation anders sein werden, gibt es das eine Standard-Learning System nicht.
Inhaltsübersicht:
Hanna Risku/Markus Peschl
Einführung: Lernen als kooperative Wissensgenerierung
1 Grundlagen zur Frage des Wissenstransfers und der Knowledge Creation
Markus F. Peschl
Knowledge construction and knowledge creation as key factors in educational and innovation processes
Stefan Oppl
Unterstützung expliziter Articulation Work durch Externalisierung von Arbeitswissen
Ulrike Cress & Joachim Kimmerle
Wissensaustausch als motivationales Problem – Resultate eines empirischen Forschungsprogramms
Jana Rambusch & Tarja Susi
Serious Learning while Having Fun
2 Wissenstransfer und Knowledge Creation in Unternehmen
Hanna Risku, Florian Windhager, Eva Mayr & Michael Smuc
Ein Hammer für eine Schraube? Angepasste Weiterbildung in Organisationen – Eine Frage von Kultur, Kognition und Technologie
Eva Mayr
Warum „Trainings von der Stange“ nicht passen. Maßgeschneiderte Weiterbildung für Organisationen
Benedikt Lutz
Ein firmeninternes „Learning Network“: Angewandtes Wissensmanagement in einem Software-Entwicklungsbereich von Siemens
3 Wissenstransfer und Knowledge Creation im Bereich der Higher Education/Universitäten
Norm Friesen & Theo Hug
Investigating Web 2.0 in Education: A Discursive Paradigm for Research
Renate Motschnig-Pitrik
Developing Communication and Cooperation Based on Person Centered Technology Enhanced Learning
Margit Pohl
Distributed Cognition als Rahmen für Interpretation und Analyse von E-Learning
Josef Herget & Isabella Mader
Personal Learning Environments in der Lehre: Synergie von Kollaboration und Wissensmanagement
Ein Beispiel aus dem Inhalt (S. 191 f.):
Josef Herget & Isabella Mader
Personal Learning Environments in der Lehre: Synergie von Kollaboration und Wissensmanagement
Lernen und Wissenstransfer sind einerseits sinnvoll entlang der Geschäftsprozesse zu organisieren, sodass zu jedem Prozess-Schritt Lern- oder Wissenseinheiten abrufbar sind (sei es nun in Form von Vorlagen, Handbüchern, Videos, Anleitungen, Podcasts …) – und nicht in einer „Parllelwelt“ eines e-Learning Systems mühsam nach Inhalten gesucht werden muss, die anders aufgebaut und organisiert sind als die Geschäftsprozesse. Andererseits ist das Lernen selbst ist im Artikel Personal Learning Environments (S. 191 f.) ebenfalls analog des Prozessmanagements gegliedert. Wie jedes Unternehmen bzw. jede Organisation auch Kernprozesse der eigenen Tätigkeit hat (das Kerngeschäft), hat es auch zusätzlich Management Prozesse und Unterstützungsprozesse vorzusehen. Idealtypisch nehmen im Unternehmen die Management- und die Supportprozesse jeweils 10% der Ressourcen/Zeit in Anspruch, die Kernprozesse 80%. Das wird jedoch von wenigen Organisationen erreicht.
Bei der Organisation von Lernen und Wissenstransfer im Unternehmen bzw. in Bildungseinrichtungen bietet sich das Prozessmodell ebenfalls an, um zu einer systematischen Vorgehensweise zu kommen.
(c) Herget/Mader
Zuerst stehen die Lernmanagement Prozesse: Es sind Lernziele zu setzen (was, wie viel, bis wann), Strategien über die Art des Lernens aufzustellen, ein Lernportfolio zu bilden, die Lernergebnisse sind abzubilden und schließlich sollte eine Lernzielkontrolle stattfinden.
Die Kernprozesse des Lernens oder Wissenstransfers sind der eigentliche Wissenserwerb, die Wissenstransformation, Praxisprojekte und Reflexion des Gelernten. Wissenserwerb funktioniert nach den aktuellen Erkenntnissen der Bildungspsychologie gemäß dem Konstruktivismus, d.h. Wissen wird erst in der Person durch eigene Erfahrung und Anwendung „konstruiert“ – es entsteht also nicht durch Lesen und ins Kurzzeitgedächtnis auswendig lernen, sondern durch Anwendung der gelernten Inhalte auf eine konkrete Praxissituation. Deshalb sind die erwähnten Praxisprojekte zentraler Teil der Kernprozesse des Wissenserwerbs.
Unter Unterstützungs- bzw. Supportprozessen des Lernens werden schließlich geeignete Wissensorganisation, Kommunikation (z.B. mit Kollegen, Peers, Lehrenden), Kollaboration (also gemeinsame Dokumentenerstellung und -optimierung) sowie Recherchekompetenz verstanden.
(c) Herget/Mader
Diesen Prozessen und einzelnen Funktionen werden im Beitrag passende, zumeist Web 2.0 Tools zugeordnet, die diese Funktionen unterstützen. Das Lernen findet dabei zum einen in formellen Strukturen, zum größeren Teil informell (z.B. über Kollaborationsfunktionen und die Interaktion mit Peers und Tutoren) statt.
Praxisanwendung
Der Beitrag beschreibt den Einsatz des Lernprozess-Modells in der universitären Lehre in 12 Master-Lehrgängen an der Donau-Universität Krems. Berichtet werden die ersten beiden Jahre des Einsatzes. Das Modell geht derzeit ins erfolgreiche dritte Jahr seiner Praxisanwendung.
Im Rahmen der Blockvorlesung (5 Tage) „Learning Environment Systems“ werden 5 Tools ausgerollt und trainiert, mit denen die beschriebenen Funktionen und die nachfolgend beschriebene Kompetenzbildung erreicht werden sollen. Es handelt sich dabei ausschließlich um state of the art Open Source Software – und absichtlich nicht um ein integriertes Single sign-on System, damit die TeilnehmerInnen die am Markt befindlichen, führenden Open Source Produkte einzeln kennen lernen, weil sie sie in der Praxis unter Umständen einzeln einzusetzen haben – nicht für alle organisatorischen Umgebungen eignen sich mächtige integrierte Plattformen. Für viele Einsatzbereiche wären diese überdimensioniert – deshalb sollen Einzelprodukte verwendet und Erfahrung damit gesammelt werden – auch weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass sie verwendet werden, wenn man (frau) sie schon einmal kennt.
Die Wahl fiel deshalb auf
- Mahara (e-Portfolio Software, die aus einmal eingegebenen Stamm- und Biografiedaten immer wieder anders zusammen gesetzte Portfolios, Lebensläufe und Selbstpräsentationen erstellen läßt)
- Moodle (Lernplattform)
- Mediawiki (Wiki Software der Wikipedia)
- WordPress Blog (ein Beispiel zum Nachlesen: https://wimblogger.wordpress.com)
- Delicious Social Bookmarking
An sich ist das gleichzeitige Ausrollen von 5 Softwareprodukten ein intensiver Vorgang, der üblicherweise an der Belastungsgrenze von Nutzern liegt. Hier gelang es, durch eine nachfolgende Projektarbeit zur Planung einer Lernumgebung für sich selbst und für das eigene berufliche Umfeld, die TeilnehmerInnen zu motivieren, sogar weitere Tools, die sie bereits verwendeten oder neu hinzufügten, systematisch in ein Personal Learning Environment bzw. Corporate Learning Environment zu integrieren. Die Gesamtanzahl der Tools, die von den Studierenden in allen Projekten systematisch eingeplant und eingesetzt wurden, lag im ersten Jahr bei 26, im zweiten Jahrgang bereits bei 52 unterschiedlichen Softwareprodukten. Fast alle der geplanten Praxisprojekte von Corporate Learning Environments wurden tatsächlich durchgeführt, darunter einige sehr umfangreiche Anwendungen. Die folgenden beiden Abbildungen illustrieren ohne lange Worte das „Toolwachstum“, das die Studierenden selbst gestaltet haben. Die fünf ausgerollten Tools verwenden alle Studierenden gemeinsam, alle weiteren Tools sind freiwillig von den Studierenden ergänzt und begründet worden.
(c) Herget/Mader
(c) Herget/Mader
Kompetenzbildung
Gleichzeitig werden die einzelnen Funktionen auch einem übergeordneten Kompetenzmodell zugeordnet, um sicherzustellen, dass das für erfolgreiche Berufstätigkeit nötige Set an Kompetenzen ausgebildet wird.
(c) Herget/Mader
In Erweiterung des Kompetenzmodells von Hülshoff wird das Trainieren von
- Fachkompetenz (im beruflichen Hauptfach, z.B. Kommunikationsmanagement)
- Methodenkompetenz (die Methoden des Hauptfaches, z.B. Methoden empirischer Sozialforschung)
- Sozialkompetenz – Kooperation, Führung, Teamfähigkeit, …
- Persönlichkeitskompetenz – persönliche Weiterentwicklung und z.B. Kritikfähigkeit
- Informations- und Medienkompetenz – Umgang mit neuen Medien, Recherchekompetenz etc.
Zusammengefasst sieht das Strukturmodell dieses integrierten Konzepts so aus (Abbildung nicht im Buch enthalten, (c) Herget/Mader):
(c) Herget/Mader
Fazit für Corporate Learning oder Wissenstransfer-Projekte
Organisieren Sie e-Learning, Wissenstransfer, Wissensmanagement, Schulungsinhalte … entlang ihrer Prozesse, nicht als alleinstehende Parallelwelt. Die nachfolgende Abbildung illustriert auch den Medienwechsel, der empfohlen ist: nicht alle MitarbeiterInnen nehmen auf die gleiche Art und Weise Information auf. Mancher wird besser aus einem Kurzvideo lernen (nicht über 5 Minuten – brechen Sie auf kleine, schnell konsumierbare Einheiten herunter!), andere lieber ein pdf-Handbuch aufrufen, wieder andere sehen sich lieber den Visio-Chart an, auf dem der Prozessablauf visualisiert ist.
(c) Herget/Mader
Gesamtbewertung:
Must-read für alle, die e-Learning oder Wissenstransfersysteme einsetzen (wollen).
lg
Wimblogger
Isabella Mader
www.imac.de