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Change Management = Unternehmenskultur

Januar 15, 2009

Aus einem Gespräch im Café Virginier ergab sich dieser Blogpost. Vorab: Trotz der gerade abgelaufenen Adventzeit – das ist keine Weihnachtsgeschichte. Kein gutes Ende. Obwohl – der Trost: sie könnte eines haben …

Selbstverständlich gibt es das klassische Spannungsverhältnis zwischen Ertragsorientierung des Unternehmens und sozialen Interessen der Mitarbeiter. Über die Konfrontation dieser Energien gehen wertvolle finanzielle, zeitliche und emotionale Ressourcen oft unwiederbringlich verloren – und die Chance, die Mitarbeiter für Projekte und Neuerungen zu begeistern, sie einzubinden, Dynamik zu erzeugen, wird verspielt. In einer Kultur gegenseitigen Respekts, des Verständnisses der Mitarbeiter für notwendige Erfolgsorientierung einerseits und der Anerkennung und Umsetzung von Mitarbeiterinteressen seitens der Organisation andererseits wird ein gedeihliches Miteinander zumeist umsetzbar sein. Die positive Dynamik begeisterter Mitarbeiter bewusst außen vor zu lassen, ist gerade im heutigen wirtschaftlichen Umfeld sträflicher Management-Leichtsinn. Sich vor Mitarbeitern zu fürchten, sich vor ihnen vermeintlich schützen zu müssen, sie als Gegner zu erleben, ihre Erfahrung und ihr Wissen nicht in den Entscheidungsprozess einzubinden und nicht gezielt zu nutzen, kommuniziert unterschwellig mangelnden Respekt und Geringschätzung – und so wird es auch vom einzelnen verstanden – die Ergebnisse sind oft desaströs. Das Ergebnis ist antizipierbar, die Leistung und Produktivität einer solchen Belegschaft wird signifikant leiden, Kreativität und Innovation kommen zum Erliegen.

Organisationen sind organische Einheiten, sie bestehen oft weniger aus Anlagen als eigentlich eben aus Menschen, aus deren Wissen, Fähigkeiten und Motivation. Gerade im stark wachsenden Dienstleistungssektor ist die grundlegende Wertausstattung von Unternehmen die positive Haltung der Mitarbeiter. Der Wert vieler Unternehmen – besonders im Dienstleistungssektor – besteht zu großen Teilen aus Wissen, Erfahrung und der Begeisterung und Motivation seiner Mitarbeiter, und eben nicht aus Produkten oder einem Lagerbestand.

Motivation, Begeisterung und kreatives Potential entstehen nur in einer Kultur gegenseitigen Respekts. Nicht umsonst scheitern viele Projekte im technischen Umfeld, z.B. Softwareimplementierungen an eben nicht-technischen Hemmnissen – weil Mitarbeiter übergangen, in die Veränderungen nicht passend einbezogen wurden und sich daher gering geschätzt fühlen. Die Konsequenz ist eine unangenehme. Im folgenden soll deshalb ein living case beschrieben werden (echtes Beispiel aus der Unternehmenspraxis, hier namentlich nicht zitierbares Unternehmen), das ich selbst als einer der Auftraggeber dieses Unternehmens sozusagen live miterlebte, in welchem der Boykott eines neuen Datenbanksystems durch die Mitarbeiter einen hoch dramatischen Verlauf nahm:

Der Case:
Ein erfolgreiches und gut umsatzwachsendes Großhandels- und Serviceunternehmen (Aktiengesellschaft) im Technologiebereich führt eines der marktführenden Datenbanksysteme ein. Kein Change Management, Mitarbeiter wurden gerade mal informiert, nachdem die Entscheidung schon getroffen war, dass die Daten aus dem bestehenden System migriert würden und dass ab Montag das neue System laufen solle. Das bis dahin verwendete Datenbanksystem und ERP leistete den Mitarbeitern gute Dienste, sie konnten ausreichend schnell Kundenanfragen bearbeiten, Lieferauskünfte erteilen, usw. usf. Die Geschäfte liefen bis dahin hervorragend, Konkurrenzunternehmen verloren bei unseren Ausschreibungen während der Jahre immer mehr Verträge an dieses Unternehmen – die Servicequalität, Schnelligkeit und Preispolitik waren hervorragend. Nun sollte ein integriertes Management Informationssystem eingeführt werden, welches auch diesen Bereich betraf. Die neue Datenbank war auch tatsächlich langsamer in der Performance als die bisherige (das lag aber wohl im Sekundenbereich). Die Reaktion der Mitarbeiter dazu, dass sie völlig übergangen wurden und man ihnen implizit bloß ausrichtete, sie hätten würden mit einem veralteten System arbeiten. Die Mitarbeiter dachten sich: „Interessant, mit diesem veralteten System sind wir bequem Marktführer.“ Ergebnis: einzelne Details wurden von den Mitarbeitern zu Beginn nicht so schnell gefunden (Inhalte waren auch tatsächlich anders aufgebaut, weil gewisse Strukturen nicht übernommen werden konnten bzw. zu Beginn noch nicht angepasst waren usw). Die Mitarbeiter – über die Veränderung an sich und die zusätzlichen Unpässlichkeiten irritiert und verärgert, suchten also noch wesentlich länger als nötig die vom Kunden am Telefon abgefragte Information, es wurden irrtümlich falsche Lieferauskünfte erteilt, nicht an die Kundenvorgabe angepasste Angebote abgegeben und das schließlich so lange, bis die meisten Kunden entnervt andere Lieferanten suchten. Die Großorganisation, bei der ich damals arbeitete, strich dieses Unternehmen damals ebenfalls aus der Lieferantenkartei wegen zu vieler Beschwerden über die langsame Reaktionszeit und falsche Angaben bzw. kamen die Angebote mangels Formfehler nicht zum Zug. Die Mitarbeiter dieses Lieferanten hielten mit uns natürlich Kontakt und schickten Angebote. Bei einem der Telefonate hörte ich dann, dass die Niederlassung geschlossen werde – 50% Umsatzeinbusse im Jahr dieser Softwareumstellung, die sich in drei folgenden Jahren kaum merklich verbessern ließen. Inzwischen wurde fast das gesamte Verkaufsteam ausgetauscht, die Umsatzeinbusse konnte jedoch in den folgenden 3 Jahren nicht aufgeholt werden. Die Kunden waren und blieben weg (die neuen Mitarbeiter konnten durch nicht erfolgten Wissenstransfer die Spezialanforderungen der sehr erlesenen Kundenschar (sehr hochpreisiges Segment) nicht ausreichend schnell herausfinden und nicht ausreichend schnell Kontakte und Vertrauen aufbauen. Das gesamte Team war nicht motiviert und dynamisch genug, viele wurden weiter ausgetauscht, die neuen Mitarbeiter kannten die Ansprechpartner in den Unternehmen der Auftraggeber nicht mehr, um den erlittenen Vertrauensverlust wieder auszugleichen.

Ergebnis nach 3 Jahren: Betriebsschließung.

Also sogar auf die Gefahr hin, den Job zu verlieren, boykottierten die Mitarbeiter das neue Datenbanksystem. Was lernen wir daraus? Nun, wohl kaum drängt sich die Feststellung auf – „Na, das haben sie nun davon“. Die Mitarbeiter fanden wieder einen Job – sie gingen samt ihren Kundenkontakten zur Konkurrenz, die diese Expertise gerne nahm. Das gegenständliche Unternehmen existiert jedoch nicht mehr, die Konkurrenzunternehmen haben die Mitarbeiter und Aufträge unter einander aufgeteilt.

Mitarbeiter haben den längeren Atem, wenn es darum geht, den eigenen Wert zu demonstrieren. Sogar Selbstschädigung ist eine Option – wohl nicht absichtlich, aber verständlich und voraussehbar. Das bedeutet nicht, dass prinzipiell alle Mitarbeiter behalten werden müssen, und das Leistungsverweigerung immer von Managementfehlern herrührt – selbstverständlich tut es das nicht, zumindest nicht in allen Fällen. Häufig jedoch sind der inneren Kündigung von Mitarbeitern (die als Folge nur noch mit Eigeninteressen wie persönlicher Absicherung beschäftigt sind) entsprechende Managementfehler vorausgegangen, die eine systemische Beschädigung verursachten. Solche systemische Beschädigungen bleiben lange subtil, werden oft lange nicht erkannt und fressen sich unerkannt deshalb durch ganze Unternehmen. Ein Mitarbeitertausch hilft hierbei nur selten, die Beschädigung bleibt bzw. entsteht durch die wiederholten Managementfehler wieder neu. Der Wert, den Mitarbeiter in die Erstellung der Leistung eines Unternehmens haben, sollte also mit konkreten Handlungen wertgeschätzt werden. Ist dies nicht der Fall, werden Mitarbeiter ihren Wert unter Beweis stellen – so wie hier: das Unternehmen steht und fällt mit den Mitarbeitern, schöne Produkte haben andere auch. Den gegenständlichen Fall haben die Mitarbeiter „überlebt“ – sie wurden samt Kunden von der Konkurrenz übernommen. Das Unternehmen hingegen hat diesen vermeintlich kleinen Managementfehler jedoch nicht überlebt.

Unglaublich, nicht wahr? Und jammerschade.

Die Kultur eines Unternehmens entscheidet also voraussichtlich über dessen Wettbewerbsfähigkeit und dessen Überleben.  Kultur ist allerdings nicht das, was in schönen Worten auf der Webseite und im Jahresbericht veröffentlicht wird, sondern was im Unternehmen tagtäglich gelebte Realität ist.  Kultur kommt nicht von schönen Worten, sie ist das Ergebnis gelebten Verhaltens. 

LG

Wimblogger

Nützlicher Link dazu B-) : Wie man Enterprise 2.0 Tools sinnvoll für die interne Kommunkation einsetzt